Mittwoch, 24. Juli 2013

                                                 Jeden Tag das gleiche Spiel

"Ey Tussi: Ich reit dich später ein, erst mal setz ich ´nen Obama ins weiße Haus", grunzte der hagere, junge Mann dessen zwei Nummern zu großes "Thug Life" T-Shirt majestätisch aus der viel zu großen Jeans Hose hervorlugte seiner unnatürlich gebräunten Begleiterin zu. Diese, offenbar an den Jargon gewöhnt, nickte freudig und trollte sich aus der Szenerie. Zufrieden mit sich, der Welt und ohne seine durchaus ansehnliche dahinstolzierende Gesprächspartnerin eines weiteren Blickes zu würdigen griff der junge Mann zu seinem Handy um die Wartezeit bis zum Eintreffen der nächsten S-Bahn zu verkürzen.

Zu meinem Eigenen missfallen spielte sich die Szene genau neben mir ab was mich, ohnehin schon übelster Laune, dazu nötigte ein paar Meter Sicherheitsabstand zwischen dieses Subjekt und mich zu bringen nicht aber ohne auf meiner kurzen Flucht mit anhören zu müssen wie der junge Mann irgendjemand fortwährend wahlweise als Alter, Digga oder Atze bezeichnete.
Zum Himmel betend, die verdammte S-Bahn möge endlich kommen, erschien der rote Viehtransport tatsächlich pünktlich am Horizont. Darauf bedacht nicht einmal im selben Waggon wie der noch immer telefonierende Typ einzusteigen, beschloss ich gleich neben der Tür zu warten, um möglichst schnell fliehen zu können. Auf der anderen Seite waren es ja nur zwei Stationen, bis ich umsteigen musste, was sollte schon passieren?

Leider etwas das meine Laune noch weiter sinken ließ.
Da sich niemand direkt neben mir befand, ließ ich mich zu einem zufriedenen Lächeln hinreißen. Endlich ein wenig ruhe. Natürlich hatte ich mich zu früh gefreut. Als der erlösende Piepton verkündete das sich die Türen der S-Bahn schließen und die Bahn endlich weiterfahren würde schlüpfte ein Mitt Dreißiger zwischen den sich viel zu langsam schließenden Türen hindurch. Er empfand den Platz mir direkt gegenüber offenbar als passend und verweilte dort. Fürs Erste um ein wenig Luft zu schnappen. Gedanklich fluchte und schimpfte ich und nahm mir vor der städtischen S-Bahn Gesellschaft einen Brief zu schreiben mit der Bitte die Waggon Türen mit etwa 80 Km/h schließen zu lassen. Dann wäre das alles nicht passiert.
Als ich mein Gesicht in die Biografie von George Best, Gott hab ihn selig, vergrub, hörte ich , wie der noch immer schnaufende Mann, sich selbst lobend und motivierend, zum Telefon griff.  Er war wichtig. Nicht etwa sein Anzug, dessen fehlende Manschettenknöpfe und das sichtbare Angelo Litrico Schild auf einen C&A Stammkunden hinwiesen ließen mich das vermuten, nein seine Art und Weise, wie er telefonierte. Bestimmt donnerte der Anzugträger in die Sprechmuschel, dass er einen Herrn Spechthuber sprechen muss, es wäre dringend, denn es handele sich um "die Sache".

Während der Mann, für jeden in dem nach schweiß und Bier stinkenden Wagen hörbar, mit seinem offensichtlichen Vorgesetzten sprach und ihm während der Unterhaltung die Gesichtszüge immer mehr entglitten, stellte sich mit unvermeidlich die Frage: Was ist nur los mit diesem verdammten Planeten?

Wenig später stieg ich an einem Verkehrsknotenpunkt aus, um mich von der S-Bahn in die nächste U-Bahn zu schleppen. Hurra. Mein alltäglicher Versuch eine Einstiegsluke mit möglichst wenig Mitfahrern zu ergattern gelang mir diesmal erstaunlich gut. Leider war meine Freude nur von kurzer Dauer. Während ich meine Kopfhörer aufsetzte und die passende Musik auf meinem viel zu alten MP3 Player einstellte, hielt der Zug schon an der nächsten Station. Vier Jugendliche betraten grunzend und grölend den Waggon. Warum auch nicht? Das hatte mir zu meinem Reiseglück noch gefehlt! Selbstredend nahmen die Kiddies auf einem Vierer Sitzplatz genau hinter mir Platz. Nicht dass es nötig gewesen wäre. Die musikalischen Meisterwerke von Rappern wie MC Gangbang und Grandmaster Vollidiot waren ohnehin im ganzen Zug zu hören. Es sei den Jugendlichen verziehen. Woher sollen sie auch benehmen haben, wenn die Alten Flaschen sammeln um sich etwas zum Hartz-4 dazuzuverdienen?

Während die Musik der Gruppe meine eigene selbst auf der höchstmöglichen Lautstärke mühelos übertönte versuchte ich die Schimpfwörter in einem der gespielten Lieder zu zählen. Innerhalb von etwas mehr als drei Minuten schaffte es der Künstler auf die stolze Anzahl von 28. Nicht schlecht. Ich brauche dafür 90 Minuten und ein Spiel meiner Lieblingsmannschaft. Urplötzlich unterbrach ein Aufschrei den Lärm. Einer der vier Jugendlichen erhielt einen Anruf. Seine Freundin.

Während er mit seiner Herzensdame telefonierte, drehte sich der Junge, der genau hinter mi saß zu mir und fragte mich "ob ich vielleicht mal meine scheiß Musik ausmachen könnte"

Es lief Stairway to Heaven.

Das war zu viel.

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